Beschreibung
Wer bewusst leben will, sollte beharrlich seine Persönlichkeit formen. Reisen sind dazu eine ideale Gelegenheit, beweist Kirche+Leben-Chefredakteur Hans-Josef Joest in seinem neuen Buch „Draußen sieht man weiter“.
Dem Reisen kommt beim Dichter Jean Paul eine Schlüsselrolle unter den menschlichen Erfahrungen zu: „Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt Leben Reisen ist.“ Seine Erkenntnis dürfte insbesondere Christen nahe sein, denn sie verstehen ihr Leben als Weg zu Gott – begleitet von Jesus. Doch anders als Ende des 18. Jahrhunderts ist Reisen heute vor manchem Missverständnis zu schützen: Gemeint sind weder pausenlose Partyzeiten noch überfrachtete Studienfahrten, sondern mußevolle Unternehmungen, die alle Sinne beleben.
„Wer aufrichtig Langsamkeit, Stille und freie Zeit sucht, der kann beim Wiederentdecken der Muße fündig werden“, verspricht Hans-Josef Joest seinen Leserinnen und Lesern. Eingängig entfaltet er, was Muße ist, warum heutige Menschen ihrer dringend bedürfen und wie man sie während einer Urlaubs- reise quasi einüben kann.
Dazu bietet der Buch-Autor eine Woche mit unterschiedlichen Prägungen an: als Tag zum Feiern, zum Anfangen, Dienen, Vermitteln, Staunen, Traurigsein und Ausleben. Jeder Wochentag wird mit einem persönlichen Reiseerlebnis eingeleitet und endet mit konkreten Ratschlägen.
„Muße ist eine stille Schönheit, weniger das gänzlich Andere, mehr der andere Akzent“, warnt Joest vor überzogenen Erwartungen. Muße verspreche einen feinen Unterschied gegenüber der Freizeit: „Muße ist die andere Seite, der neue Blickwinkel, die Liebe zum Detail. Muße ist das Verstellen der Uhr, das Ansteuern von Sackgassen, das Da-Sitzen und sonst nichts.“ Kurz, Muße sei „alles, was sich abseits von Hetze und Hektik, fern von Zwecken und Zwängen von selbst einstellt“.
Reisen schließt für Joest ausdrücklich Pilgerfahrten ein, das Tagebuch eines Heilig-Land-Aufenthalts belegt die große Chance solcher Aus-Zeiten.
Wie mußevolle Menschen entsprechend dem Titel „draußen weiter sehen“, mehr erleben, tiefer wahrnehmen, dafür bietet das Buch eingängige Beispiele – die Spannweite der Kapitel reicht von scharfsichtigen Beobachtungen in Biographien großer Dichter, kirchlicher Persönlichkeiten, Politiker und Schauspieler bis zu nachsichtigen Beschreibungen menschlicher Verhaltensweisen. Ein spannendes Kapitel befasst sich gut 20 Jahre nach der Wende mit der schwierigen Suche nach fairen Bewertungen der kommunistischen Zeit. War die DDR ein Unrechtsstaat? Hat der Kapitalismus den Kommunismus besiegt?
Der Autor, selbst Historiker und Germanist, nähert sich dem schwierigen Stoff über nüchterne Bewertungen geschichtlicher Fakten und über literarische Aufarbeitungen. Seine Kronzeugen sind der große Papst Johannes Paul II., der tschechoslowakische Dissident und spätere Staatspräsident Vaclav Havel, der estnische Dichter Jaan Kroos und der ostdeutsche Schriftsteller Wolfgang Hilbig.
Wie schwierig nachträgliche Urteile zu fällen sind, belegt Joest am Beispiel von Polens Solidarnosc-Gründer und späterem Präsidenten Lech Walesa, der sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, er habe zeitweise Werft-Kollegen für die Staatssicherheit bespitzelt.
Sprachwitz, leichte Verständlichkeit und mutige Urteile zeichnen den Stil Joests aus. Die Länder-Schauplätze von Frankreich, Kroatien, den USA und Norwegen bis nach Rumänien und Irland ermöglichen auch beschauliche Gedanken-Reisen daheim im Lesesessel.
Weitere Bücher von Hans-Josef Joest:
Zeit-Zeugnisse – Ein Jahreslesebuch
Aller Abschied ist leicht – Lebensfrohe Alltags-Weisheiten